"ISO/TS 16949:2002 Qualitätsmanagementsysteme - Besondere Anforderungen bei der Anwendung von ISO 9001:2000 für die Serien- und Ersatzteilproduktion in der Automobilindustrie"

Der Geltungsbereich der ISO/TS 16949 ist gegenüber der ersten Ausgabe von 1996 erweitert, da hier Automobilhersteller und Ersatzteilproduzenten nicht erwähnt waren. Hinsichtlich der Einbeziehung der Automobilhersteller ist die Einschränkung der Anwendbarkeit auf Werke, die Teile nach Kundenspezifikation fertigen, ein Schritt zurück.

Da ISO/TS 16949:2002 insgesamt auf Produktion zugeschnitten ist und die Bedeutung von Kundenforderungen, Kundenspezifikationen und Freigaben durch den Kunden betont, ist unabhängig vom Titel und den Festlegungen im allgemeinen Teil offensichtlich die Zulieferindustrie der Adressat der Technischen Spezifikation.

Ausgehend vom Ansatz der Fehlervermeidung bietet ISO/TS 16949 eine Reihe von Konzepten, die bei konsequenter Anwendung ein hohes Qualitätsniveau der Produkte sicherstellen und eine 0-Fehler-Strategie unterstützen.

Zweck, Geltungsbereich und Entstehung der ISO/TS 16949

ISO/TS 16949 ist darauf ausgerichtet ihre Anwender bei der Entwicklung eines Qualitätsmanagementsystems zu unterstützen, das

Die Technische Spezifikation legt, verbunden mit kundenspezifischen Anforderungen, die grundlegenden Anforderungen an ein QM-System für diejenigen fest, die danach arbeiten.

ISO/TS 16949 bietet einen gemeinsamen Ansatz für ein QM-System für die Serien- und Ersatzteilfertigung in der Automobilindustie und dient dadurch der Vermeidung von mehrfachen Zertifizierungen

(nach ISO/TS 16949, 0.5: Ziel dieser Technischen Spezifikation)

Der Geltungsbereich von ISO/TS 16949 wird bereits aus dem Titel deutlich:

Die Technische Spezifikation ist auf Produktionsstandorte der zertifizierten Organisation anwendbar. Unterstützende Funktionen wie Konzernzentrale, Vertrieb oder Entwicklung sind Bestandteil des Audits am Produktionsstandort, soweit sie diesen unterstützen. Sie können kein eigenständiges Zertifikat nach ISO/TS 16949 erhalten.

ISO/TS 16949:2002 entstand aus ISO/TS 16949:1996 durch Anpassung an die neue Struktur und das Prozessmodell von ISO 9001.

Mit ISO/TS 16949:2002 gelang die weltweite Harmonisierung der nationalen Qualitätsnormen für die Automobilindustrie. Sie wurde erarbeitet von:

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Konzepte der ISO/TS 16949:2002

Da ISO/TS 16949:2002 den Text der ISO 9001:2000 enthät, gilt dieser mit. Die zusätzlichen Forderungen der ISO/TS 16949 lassen sich Konzepten zuordnen, die an einzelnen Stellen der Prozesskette oder übergreifend eine gute Praxis zur Fehlervermeidung etablieren. Einige Zusatzforderungen, welche diese Konzepte verdeutlichen, finden Sie hier.

Prozessorientierung

ISO/TS 16949:2002 übernimmt das Prozessmodell von ISO 9001:2000, beschränkt Ausschlüsse auf die Produktentwicklung und betont die Verantwortlichkeit der Organisation auch für ausgelagerte Prozesse.

Kundenorientierung

Information und Kommunikation

Um die "technischen" Gründe für Missverständnisse und Informationsverlust auszuschließen, fordert ISO/TS 16949:2002:

Fähigkeit und Motivation

Bereichsübergreifender Ansatz für die Entwicklung von Produkten und Prozessen

Die Idee des bereichsübergreifenden Ansatzes ist bereits in dem QS9000 Referenzhandbuch "Advanced Product Quality Planning" enthalten und hat als "Simultanous Engineering" noch ältere Wurzeln. Die entscheidenden Punkte sind:

Kontrolle der Lieferkette

Die Forderungen von ISO/TS 16949:2002 beziehen sich einerseits auf die Lieferanten und die Qualität der angelieferten Produkte:

Andererseits auf die Fertigungsplanung und Logistikqualität der Organisation:

Anwendung von Methoden

Während ISO 9001:2000 die Anwendung von (statistischen) Methoden nur allgemein fordert, schreibt ISO/TS 16949 konkret vor:

Die vielfachen Querverweise auf den Kontrollplan, der in dem normativen Anhang A der Technischen Spezifikation im Detail beschrieben ist, zeigen, dass dies ein essentielles Konzept von ISO/TS 16949:2002 ist.

Vermeidung von Verlusten

ISO/TS 16949:2002 verfolgt die Idee, dass gutes Qualitätsmanagement sich in einer Steigerung der Effizienz auswirkt. Die Messung der Effizienz ist Managementaufgabe

Costs of Poor Quality (interne und externe Fehlerkosten) sind Gegenstand des Management Reviews. Sonderfrachten werden als Ereignisse angesehen, welche die Kundenzufriedenheit mindern.

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Verbesserungspotentiale

Sieht man als übergeordneten Zweck des Qualitätsmanagements in der Automobilindustrie die Zufriedenheit der Endkunden - der Käufer von Automobilen - an, fallen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) einige Punkte an ISO/TS 16949:2002 auf, die diesem Zweck nicht unbedingt gerecht werden.

Optimierung der Lieferkette

Nach ISO/TS 16949:2002 werden Kundenforderungen an den Lieferanten gegeben. Diese betreffen Forderungen an das Produkt, an die Prozesse des Lieferanten, an sein Managementsystem und an seine Kommunikationssysteme. Die Erfüllung dieser Anforderungen wird vom Kunden durch Audits, Produkt- und Prozessfreigabe und Wareneingangsprüfung überwacht. Der Lieferant wird aufgerufen, seine Mitarbeiter für die Erfüllung der Kundenforderungen zu motivieren.

Die Forderung nach einer Unternehmensethik oder Politik, welche die Zusammenarbeit mit wichtigen Lieferanten zum Nutzen der Organisation und deren Kunden betont, könnte helfen, die Motivation der Lieferanten zu verbessern. Es ist offensichtlich, dass eine solche Ethik/Politik auch den Schutz des geistigem Eigentums und der Investitionen der Lieferanten fördern sollte.

Ebenso ist auf einem globalen Markt die Beachtung kultureller Besonderheiten der Lieferanten eine Hilfe zur gedeihlichen Zusammenarbeit.

Systemdenken 1

Durch die Forderung nach einem bereichsübergreifenden Ansatz in der Produkt- und Prozessentwicklung konkretisiert ISO/TS 16949:2002 die entsprechende Forderung aus den in ISO 9000:2005 enthaltenen Grundsätzen des Qualitätsmanagements (0.2 e) Systemorientierter Managementansatz).

Leider bezieht sich dies nur auf die Organisation selbst. Es wäre im Sinne des 0-Fehler-Denkens, die Zusammenarbeit der Lieferanten nicht nur hierarchisch entlang der Lieferkette (Tier1, Tier2, ...), sondern auch auf einer Ebene im Rahmen eines übergeordneten Systems zu denken und durch entsprechende Normforderungen zu fördern.

Systemdenken 2

Die Bedeutung von Software in modernen Automobilen ist immens. Der bereichsübergreifende Ansatz von ISO/TS 16949:2002 erwähnt jedoch Softwareentwicklung nicht explizit. Daher ist in TS 16949-Audits von Softwareentwicklung häufig nicht die Rede, auch wenn dies für die Qualität der Produkte der Organisation und vor allem für die Einhaltung von Zeitplänen bei der Produktentwicklung von Bedeutung ist.

Die Kunden begutachten stattdessen die Softwareentwicklung des Lieferanten nach SPICE oder CMM. Dies ist jedoch auch keine durchgreifende Lösung, weil diese Modelle die Softwareentwicklung separat und die Managementprozesse des Lieferanten redundant betrachten.

Die Schwierigkeiten bei der Koordination von Hardware- und Softwareentwicklung in einem engen Zeitplan sollten Thema des Standards sein. Der Verweis auf ein geeignetes Referenzmodell für das Projektmanagement wäre hilfreich.

Spezifikationen

"Kundenspezifikation" ist ein sehr häufiges Wort in ISO/TS 16949:2002. Der Standard geht davon aus, dass ein Lieferant eine Spezifikation erhält, die Spezifikation bewertet, eine Machbakeitsanalyse druchführt und sich dann vertraglich verpflichtet nach der Spezifikation zu arbeiten.

Dabei treten (mindestens) zwei Schwierigkeiten auf:

Um hier Abhilfe zu schaffen, ist wiederum eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Kunde und Lieferant erforderlich. Diese sollte darauf gerichtet sein:

Dies setzt teils voraus, teils bewirkt es, dass das Expertenwissen des Lieferanten mit in die Produktspezifikation einfließt. Es kann ihn zu innovativen Problemlösungen für den Kunden und dessen Kunden ermutigen.

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Abkürzungen, Definitionen

ISO/TS:
Technische Spezifikation: "A normative document representing the technical consensus within an ISO committee" Weitere Erläuterungen
Kundenspezifische Anforderungen
Kundenspezifische Anforderungen sind festgelegt in:
Referenzhandbüchern (QS9000 Reference Manuals, VDA Bände)
Ergänzungen der Automobilhersteller zu den ISO/TS 16949:2002 Anforderungen für ihre Zulieferer
Allgemeinen Anforderungen des Kunden (Erhältlich z.b. über sein Supplier-Portal)
Projektbezogenen Anforderungen des Kunden (z.B. spezielle Qualitätssicherungsvereinbarung)
FMEA
"Failure Mode and Effects Analysis" - eine technische Risiko-Analyse-Methode
SPICE
ISO 15504: "Information technology -- Process assessment": Standard für die prozessorientierte Bewertung von Softwareentwicklung
CMM
Capability Maturity Model ist ein Reifegradmodell zur Bewertung von Softwareentwicklung. Es wird seit dem Jahr 2000 durch das auf alle Unternehmensprozesse bezogene CMMI (CMM Integration) ersetzt.

Hinweise, Verweise

Die Zertifizierung nach ISO/TS 16949 erfolgt nach den Regeln der IATF. Zugelassene Zertifizierungsgesellschaften und Zertifikate werden zentral registriert. Lokale Ansprechpartner sind die Mitglieder der IATF, die den Charakter einer "ad hoc" Arbeitsgruppe hat.

IATF Veröffentlichungen:
Deutsch: ISO/TS 16949:2002, Zertifizierungsvorgaben
Englisch: ISO/TS 16949:2002, Certification Rules
Da die IATF keine juristische Person ist, führen lokale "Oversight Offices" im Namen der IATF Geschäfte wie den Abschluss von Verträgen durch.
Deutschland: VDA-QMC
Frankreich: IATF-France
Italien: ANFIA
UK: SMMT
USA: IAOB

SMQE Qualitätsmanagement (2006 - 2008)